Ode an die Freiheit

Sonderausstellung Ode an die Freiheit - Bernsteins Beethoven

Sonderausstellung im Beethoven-Haus zeigt Leonard Bernstein als glühenden Beethoven-Botschafter

Weihnachten 1989 schrieb der amerikanische Dirigent Leonard Bernstein Musikgeschichte, als er kurz nach dem Mauerfall Beethovens Neunte Sinfonie in Ost- und West-Berlin mit leicht geändertem Text als „Ode an die Freiheit“ aufführte. Das Beethoven-Haus Bonn erinnert an diese legendären Konzerte im Rahmen einer Sonderausstellung, die Bernsteins vielschichtige Beschäftigung mit Beethoven zeigt und ihn als glühenden Beethoven-Botschafter würdigt. Zur Eröffnung der von der Beauftragten für Kultur und Medien geförderten Ausstellung ist auch Bernsteins Tochter, die Autorin und Produzentin Jamie Bernstein aus den USA angereist.

Anhand von 100 Objekten zeichnet die multimediale Schau nach, wie Bernsteins Denken und Handeln auch als Autor, Pianist, Fernsehproduzent und Komponist immer wieder um den Bonner Komponisten kreiste – von frühen Texten aus den 40er Jahren bis zu seinem letzten öffentlichen Konzert 1990 in Tanglewood. Mit den Weihnachtskonzerten 1989 fand diese lebenslange Auseinandersetzung ihren Höhepunkt. Die Ausstellung wurde von Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses Bonn, und Arnd Richter, Redakteur beim WDR und Bernstein-Spezialist, kuratiert.

Die Exponate wurden vor allem aus den USA zur Verfügung gestellt. Sie beleuchten das komplexe Verhältnis Bernsteins zu Beethoven, als Komponist, Interpret, charismatischer Kommunikator oder gesellschaftspolitischer Aktivist. Zahlreiche Videos und Tondokumente laden dazu ein, sich selbst ein Bild von der besonderen Wirkung Leonard Bernsteins als engagiertem Beethoven-Botschafter zu machen. „Bernstein zählt aufgrund seiner gewinnenden Persönlichkeit und frühen Medienpräsenz zu den herausragenden Beethoven-Vermittlern des 20 Jahrhunderts. Wir sind glücklich, dank der vielen internationalen Leihgaben Bernsteins Blick auf Beethoven erstmals in seiner ganzen Vielschichtigkeit zeigen zu können. Es ist nach wie vor faszinierend zu sehen, wie Bernstein über Beethoven spricht, wie er ihn interpretiert und vermittelt“, sagt Malte Boecker.

War Beethovens Musik für Bernstein generell Ausdruck tiefster Menschlichkeit und Freiheit, so hatte die 9. Sinfonie für ihn noch einmal eine ganz besondere Bedeutung. Bei Konzerten von hoher politischer Relevanz stellte er sie wiederholt in den Mittelpunkt – so auch in den legendär gewordenen Konzerten nach dem Mauerfall Weihnachten 1989 in Berlin. Die Fernsehübertragung in 21 Länder erreichte über 100 Millionen Zuschauer. Die Ausstellung präsentiert Bernsteins Aufführungspartitur mit der Eintragung „Freiheit“ statt „Freude“ und die Notizen, die er sich zur Textänderung machte. Im Musikzimmer des Museums kann die historische Aufführung in Ton und Bild nacherlebt werden. Fotos dokumentieren, wie Bernstein nach dem Konzert selbst zum „Mauerspecht“ wurde. Er lieh sich Hammer und Meißel von einem kleinen Jungen, dessen Familie die Werkzeuge für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hat. Auch eines der kleinen Mauerstücke Bernsteins ist zu sehen. Das Erlebte fand einen poetischen Widerhall im Gedicht „Christmas in Berlin, 1989“.

Beethoven gehörte für Bernstein zu seinen prägenden Leitfiguren. Seine innige Verbundenheit wird besonders deutlich im Ritual des „Händeschüttelns“ mit der Beethoven-Skulptur im Wiener Musikverein, wie ein Foto belegt. Mehrere Dokumente in der Ausstellung zeigen das humorvolle Spiel mit den Namen: Auf einem Umschlag eines autographen Beethoven-Briefes im Beethoven-Haus hinterließ Bernstein bei einem Besuch 1989 die Signatur „LB (leider nicht van)“, und auf dem Ausstellungsplakat zur Präsentation von Andy Warhols Beethoven-Serie in Bonn signierte er parallel zum Namen des Komponisten mit „Leonard van Bernstein“. Den Song „There had to be a Revolution“ zeichnete er gar mit dem Pseudonym „Lenny Beethoven“. Dass Bernstein sich auch in eigenen Kompositionen von Beethoven hat inspirieren lassen, belegen zwei Beispiele: Die Handschriften der beiden Werke, der zweiten „Meditation“ der „Mass“ und das Lied „Somewhere“ aus der „West Side Story“, sind in Faksimiles zu sehen.

Als hervorragender Kommunikator richtete Bernstein sich an eine breite Öffentlichkeit und nahm im aufkommenden Medienzeitalter mit seiner Medienpräsenz eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Musikvermittlung ein. Bereits in den 40er Jahren setzte er sich im fiktiven Dialogtext „On a roadtrip through the Rocky Mountains“ mit Beethoven auseinander und entwickelte die Grundgedanken, die zum roten Faden seines Blicks auf Beethoven (und auch der Ausstellung) werden sollten. Beethovens Kompositionen zeichneten sich aus seiner Sicht durch ihre innere Folgerichtigkeit aus: Nur bei Beethoven habe man das Gefühl, dass jede Note, die der vorhergehenden folgt, an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang die einzig richtige sei. Diese Idee fächert Bernstein in den 50er- und 60er-Jahren in verschiedenen medienwirksam in Szene gesetzten Fernsehsendungen immer weiter auf, etwa in der wegweisenden Omnibus-Sendung von 1954, in der er Beethovens 5. Sinfonie auf einer übergroßen Partitur stehend erklärt, oder 1968 in dem Familienkonzert „Forever Beethoven!“ in der Reihe der „Young People’s Concerts“ des New York Philharmonic Orchestra. Wie es Bernstein gelang, sein Publikum zu begeistern, können die Besucher anhand von Ausschnitten aus den Sendungen erleben.

Dass Bernstein zeitlebens sehr häufig Werke von Beethoven dirigierte und mit dem 1. Klavierkonzert sogar selbst als Pianist in Erscheinung trat, veranschaulichen verschiedenste Konzertplakate und -programme, unter anderem auch eines vom Bonner Beethovenfest 1989, bei dem Bernstein Artist in Residence war. Berührend ist das Programmheft und ein Ausschnitt aus der Aufnahme seines letzten Konzerts, das Leonard Bernstein mit der von ihm besonders geschätzten 7. Sinfonie wenige Wochen vor seinem Tod 1990 in Tanglewood gab.

Die Sonderausstellung ist vom 3. Mai bis 19. August im Beethoven-Haus in Bonn zu sehen.

Beethoven-Haus, Bonngasse 20 und 24-26, Bonn